Junger Waffennarr soll hinter Verbreitung geheimer US-Dokumente stecken
Hinter der Veröffentlichung zahlreicher US-Geheimdokumente vor allem zum Krieg in der Ukraine soll einer Recherche der "Washington Post" zufolge ein waffenvernarrter junger Mitarbeiter eines US-Militärstützpunkts stecken. Einem Bericht der US-Zeitung zufolge erhielt die Redaktion entsprechende Hinweise von zwei Mitgliedern einer Gruppe auf der Online-Plattform Discord. US-Präsident Joe Biden äußerte sich am Donnerstag besorgt über die Veröffentlichung - sieht aber nach eigenen Worten derzeit keine "schwerwiegenden Folgen" des Durchsickerns.
Der "Washington Post" zufolge soll der junge Militärbasis-Mitarbeiter den zwei befragten Discord-Nutzern erzählt haben, er habe die Schriftstücke von seiner Arbeit auf dem Stützpunkt mit nach Hause genommen. Der Mann mit dem Spitznamen "OG" habe dann über Monate hunderte Dokumente auf der Plattform veröffentlicht, die besonders für den Austausch über Videospiele genutzt wird.
Die Discord-Gruppe, welcher der mutmaßliche Verbreiter der Geheiminformationen angehöre, umfasse etwa 24 Mitglieder, darunter auch Menschen aus Russland und der Ukraine, berichtete die "Washington Post". Was sie vereine, sei ihre "Liebe zu Waffen, militärischer Ausrüstung und Gott".
Der Zeitung zufolge hat der Mann eine "schlechte Meinung von der Regierung" in Washington. Ein Gruppenmitglied sagte demnach, "OG" habe die Vereinigten Staaten und besonders die Strafverfolgungsbehörden und die Geheimdienste als "dunkle Macht" bezeichnet, die versuche, die Bürger zu unterdrücken und "im Dunkeln zu halten".
"OG" soll dem Bericht zufolge Gruppenmitgliedern berichtet haben, dass er "stundenlang geschuftet" habe, um die vertraulichen Dokumente abzuschreiben, um sie dann mit der Discord-Gruppe zu teilen. Um sich die Arbeit zu erleichtern, sei er schließlich dazu übergegangen, die Dokumente abzufotografieren und anschließend zu posten.
In den vergangenen Tagen waren zahlreiche geheime Dokumente auf Discord und anderen Plattformen wie Twitter und Telegram gesichtet worden. Möglicherweise zirkulierten sie dort schon monatelang, bevor Medien darauf aufmerksam wurden. Einige Informationen seien so sensibel gewesen, dass sie als "NOFORN" gekennzeichnet gewesen seien, schrieb die "Washington Post". Dies bedeutet, dass sie nicht unter Nicht-US-Bürgern verbreitet werden dürfen.
US-Präsident Biden sagte während seines Besuchs in Irland am Donnerstag zu dem Durchsickern der Geheimdokumente, er sei "besorgt, dass es passiert ist". Ihm sei jedoch "derzeit nichts bekannt, das schwerwiegende Folgen hat". Er verwies auf die "umfassende Untersuchung" des Vorfalls unter Beteiligung des Justizministeriums und der Geheimdienste, die kurz vor dem Abschluss stehe.
Die Veröffentlichung der Dokumente hat erhebliche Sorgen in den westlichen Staaten ausgelöst. Die inzwischen zum großen Teil nicht mehr im Internet verfügbaren Dokumente sollen unter anderem brisante Informationen über den Kampf der Ukraine gegen die russischen Invasionstruppen enthalten.
So sollen einem der Dokumente zufolge die US-Geheimdienste Zweifel am Erfolg einer möglichen Gegenoffensive der ukrainischen Armee hegen, berichtete die "Washington Post". Es gebe "fortdauernde ukrainische Rückstände" bei der Ausbildung der Soldaten und bei der Munitionsversorgung.
Die Schriftstücke sollen auch Informationen darüber enthalten, dass die US-Geheimdienste verbündete Regierungen ausgespäht haben. Die US-Regierung hat die Echtheit der veröffentlichten Dokumente bisher nicht bestätigt.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, rief die Betreiber von Online-Netzwerken wie Discord dazu auf, nicht zur Verbreitung derartiger Informationen beizutragen. Die Unternehmen stünden aus Sicht der US-Regierung "in der Verantwortung gegenüber ihren Nutzern und dem Land". Discord erklärte, das Unternehmen arbeite in der Angelegenheit mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen.
R.Abate--IM